5.2 Fiskalpolitik, Geldpolitik und die Rolle von Erwartungen und
Backloading
Wie schon eingehender beschrieben wurde, führt bei gegebenen
Erwartungen über die Zukunft eine Änderung des heutigen Zinssatzes nur zu einer
kleinen Änderung der privaten Nachfrage. Der Multiplikator ist klein. Der aktuelle
Realzins
ist in der Grafik an der vertikalen, das aktuelle Einkommen
an
der horizontalen Achse abgetragen. Das Gleichgewicht liegt im Schnittpunkt
der
IS- und LM-Kurve. Nach der Betrachtung der steileren IS-Kurve mit Erwartungen
und der durch eine Änderung der Realzinsen hervorgerufene Bewegung auf der
Kurve, Analysieren wir nun Verschiebungen der IS-Kurve durch Änderungen
anderer Variablen.
Eine Erhöhung der aktuellen Staatsausgaben G hat beispielsweise zur Folge, dass
sich die IS-Kurve nach rechts verschiebt. Hier laufen die gleichen Prozesse ab, wie
auch bei der IS-Kurve ohne Erwartungen - die Güternachfrage und das
Einkommen steigen.
Steigt das erwartete zukünftige Einkommens
,
verschiebt sich die IS-Kurve ebenfalls nach rechts, da die Konsumenten sich schon
zum aktuellen Zeitpunkt reicher fühlen und mehr konsumieren möchten.
Eine Erhöhung der Steuern T, der erwarteten zukünftigen Steuern
oder der erwarteten
zukünftigen Realzinsen
verschieben dagegen die IS-Kurve nach links, da die Konsumenten in diesem Fall
ihre aktuelle Nachfrage einschränken.
An dieser Stelle muss man sich, wie auch bei der Betrachtung der Verschiebung
der IS-Kurve ohne Erwartungen, die Frage stellen, welche Auswirkungen der
Steuer- und Staatsausgabeneffekt zusammen haben. Erhöht der Staat
beispielsweise die Steuern T und gleichzeitig auch seine Staatsausgeben G, so
wirken diese beiden Effekt zusammen und werden aufsummiert. Mit der
Steuererhöhung wird sozusagen die Staatsausgabenerhöhung finanziert. Sind die
beiden Effekte nahezu gleich groß,so gleicht sich die IS- Kurve der ursprünglichen
IS-Kurve an.
Werden beispielsweise die Steuern T erhöht und die Staatsausgaben G gesenkt,
so haben beide Effekte einzeln betrachtet zur Folge, dass sich die IS-Kurve nach
links verschiebt. Betrachtet man den Steuer- und Staatsausgabeneffekt zusammen,
so verschiebt sich die IS-Kurve um die Summe beider Effekte noch weiter nach
links.
Nun soll die Geldpolitik im ISLM Modell mit Erwartungen näher
betrachtet werden, indem wir die Folgen einer Ausdehnung der Geldmenge durch
die Zentralbank analysieren.
Zunächst soll davon ausgegangen werden, dass die expansive
Geldpolitik weder die Erwartungen über zukünftige Zinsen noch die
Erwartungen über die zukünftige Nachfrage verändert. Die LM-Kurve
verschiebt sich nach unten. Das Gleichgewicht liegt nun im Punkt
, dem
Schnittpunkt von LM und der IS-Kurve. Folglich steigt das Einkommen nach
und der Zinssatz
sinkt nach
.
Da aber die IS-Kurve einen steilen Verlauf vorweist, hat die expansive Geldpolitik
nur einen geringen Effekt auf die Produktion. Solange Änderungen des aktuellen
Zinssatzes die Erwartungen über die Zukunft nicht berühren, haben sie nur
geringe Wirkungen auf die Nachfrage und die Produktion.
Nun muss man sich allerdings die Frage stellen, ob es vernünftig ist, die
Annahme zu treffen, dass die Erwartungen von der expansiven Geldpolitik
unberührt bleiben. Es könnte viel plausibler sein, dass bei einer heutigen
Zinssenkung vermutet wird, dass auch in der Zukunft die Zinsen auf dem
niedrigeren Niveau bleiben. Dann werden die Finanzmärkte erwarten, dass
die zukünftige Nachfrage wegen der in der Zukunft niedrigen Zinsen
angeregt wird. Wenn dies so eintrifft, wird, bei einem gegebenen Zinssatz
heute, die Aussicht auf niedrige Zinsen und hohe Nachfrage in der Zukunft
auch heute schon die Nachfrage und die Produktion stimulieren. Folglich
verschiebt sich die IS-Kurve nach rechts und ein neues Gleichgewicht stellt sich
ein.
Die Wirkung der Geldpolitik hängt also entscheidend davon ab, wie sie die
Erwartungen beeinflusst. Falls eine expansive Geldpolitik die Finanzmärkte,
Konsumenten und Unternehmen dazu veranlasst, auch die Erwartungen über
zukünftige Zinssätze und Produktion miteinzubeziehen, können die
Auswirkungen einer expansiven Geldpolitik sehr großsein und die Produktion und
das Einkommen weiten sich aus.
Werden die Erwartungen über die Zukunft von der expansiven Geldpolitik nicht
berührt, wird sie nur einen geringeren Effekt aufweisen und die Produktion und
das Einkommen erhöhen sich nur geringfügig. Die Auswirkungen der
Geldpolitik hängen also fundamental von ihrem Einfluss auf die Erwartungen
ab.
Wenn sich die Erwartungen verändern, sind die Auswirkungen der Geldpolitik
großWenn sich die Erwartungen allerdings nicht ändern, sind die Effekte der
Geldpolitik klein.
Erwartungsbildung beruht dabei nicht auf Willkürlichkeit, sonder die
Erwartungen werden vorausschauend gebildet.
Backloading: Abbau des Budgetdefizits bei rationalen Erwartungen
Wie wir
oben gesehen haben, führt eine restriktive Fiskalpolitik, z.B. Sparen oder
Steuererhöhungen zum Abbau des Staatsdefizits, kurzfristig zu einem
Produktionsrückgang. Mittelfristig hat der Abbau des Budgetdefizits keine
Auswirkungen auf die Produktion, senkt aber die Zinsen und induziert damit
private Investitionen. Langfristig erhöht dieses höhere Investitionsniveau den
Kapitalstock und ermöglicht damit ein höheres Produktionsniveau.
Im ISLM-Modell mit Erwartungen kann ein Abbau des Budgetdefizits aber auch
kurzfristig zu einem Anstieg von privaten Ausgaben und Produktion führen,
wenn die Wirtschaftssubjekte die zukünftigen Vorteile des Defizitabbaus bereits
heute berücksichtigen. Der Effekt einer angekündigten Defizitreduktion umfasst
einen Abfall der gegenwärtigen Ausgaben - die IS-Kurve verschiebt sich nach
links - und den Anstieg der erwarteten zukünftigen Produktion bei fallenden
Zinssätzen fallen - die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts.
Je kleiner die aktuellen Kürzungen der Staatsausgaben heute und je stärker die
Kürzungen später, desto stärker ist der positive Nachfrageeffekt - dieses
Konzept wird backloading bezeichnet. Backloading kann allerdings zu einem
Glaubwürdigkeitsproblem des Konsolidierungsprogramms führen, da die
größten Einschnitte auf die Zukunft verlagert werden.
Fassen wir zusammen: Ein glaubwürdiges Programm zum Abbau des
Budgetdefizits kann selbst kurzfristig die Wirtschaft stimulieren. Folgende
Faktoren sind dafür entscheidend:
- Glaubwürdigkeit des Programms,
- Zeitpfad des Programms,
- Zusammensetzung des Programms und
- Zustand der Staatsfinanzen.
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