15.4 Das Handelsgleichgewicht

Das normale Ergebnis des Handels besteht darin, dass sich der relative Preis der Güter irgendwo zwischen ihrem Niveau vor Handel in beiden Ländern einpendelt. Als Folge spezialisiert sich jedes Land auf diejenigen Güter, bei denen sein relativer Arbeitskoeffizient geringer ist als in dem anderen Land. Ein Anstieg des relativen Käsepreises in Inland wird Inland veranlassen, sich auf die Käseproduktion zu spezialisieren. Ein Sinken des relativen Käsepreises in Ausland wird Ausland veranlassen, sich auf die Weinproduktion zu spezialisieren. D.h. jedes Land wird sich auf die Produktion von dem Gut spezialisieren, bei dem es einen komparativen Kostenvorteil hat. Dieses Gut wird exportiert, das andere Gut wird importiert. Dieses Ergebnis wird das Heckscher-Ohlin-Theorem genannt.

Wenn wir davon ausgehen, dass nur die beiden Länder existieren und miteinander Handel treiben, dann stellt sich automatisch das Ergebnis des Heckscher-Ohlin-Theorems ein. Aufgrund der Preisdifferenzen, die in Autarkie herrschen, wird gewinnträchtiger Handel beginnen, der die Preise in beiden Ländern verändert und angleicht. Dadurch beginnen gewinnmaximierende Unternehmen sich zu spezialisieren. Das Inland wird Käse ex- Kp Kc und Wein importieren Wc Wp. Das Ausland wird Wein ex- Wp Wc und Käse Kc Kp importieren. Das Handelsgleichgewicht entsteht wenn die Handelsmenge der beiden Ländern übereinstimmen. Der Außenhandel erweitert sowohl für Inland als auch für das Ausland die Konsummöglichkeiten, dadurch entstehen Außenhandelsgewinne für beide Länder.3

In der obigen Graphik kann man wieder die Arbeitskoeffizienten des Auslandes einstellen. Sobald die Opportunitäskosten für Wein relativ zu Käse sich in den beiden Ländern unterscheiden, kommt es in beiden Ländern zur Spezialisierung.4 Beide Länder ex- bzw. importieren das Gut, das das andere Land im- bzw. exportiert. Die Kongruenz der Handelsstöme ist gut an den übereinstimmenden Längen der blauen Pfeile für die Handelsvolumina zu erkennen. Das eine Land kauft genau das, was das andere Land verkauft, und umgekehrt.

In der vorgestellten Darstellung ist noch ein weiterer Regler angegeben: Die Handelsmacht des Inlandes. Mit ihm kann die Bedeutung des Preises für die Wohlfahrtseffekte visualisiert werden. Findet die Preisbildung nicht im perfekten Polypol statt, wie im nächsten Kapitel ausgerechnet, dann können die Handelseffekte deutlich zugunsten eines Landes abweichen. Grundsätzlich gilt, dass der Preis zwischen den relativen Opportunitäskosten liegen muss, wie wir oben ausführlich gezeigt haben, d.h. aLX aLY < pxw < aLX aLY . In der Ausgangssituation haben wir den Preis auf die Mitte des Intervalls eingestellt. Je mehr man die Handelsmacht zugunsten des Inlandes verschiebt, desto weiter wird die Schere zwischen der Transformationskurve des Inlands (= Autarkie) und der Handelskurve (rot). Umso mehr wachsen also Konsum und Wohlstand im Inland. Gleichzeitig schließt sich dieselbe Schere im Ausland, so dass dort die Handelsvorteile schwinden und im Extremfall sogar ein Nutzennachteil entstehen kann. Wohlgemerkt, ist dies nur dann möglich, wenn der Preis nicht im freien Polypol entsteht. Wird die Handelsmacht des Inlands reduziert, geht der Prozess in die umgekehrte Richtung und das Inland profitiert weniger bis gar nicht mehr vom Handel.

Exkurs: Gehen wir in unserem Modell davon aus, dass beide Länder im ökonomischen Sinne kleine Länder sind, d.h. sie können den Weltmarktpreis für Käse und Wein nicht beeinflussen, und mit dem Weltmarkt Handel treiben, dann sieht die Situation anders aus. Da die Spezialisierung durch das Verhältnis des Preises zu den Opportunitätskosten bestimmt wird (Spezialisierung findet ja immer auf das Gut statt, das man billiger produzieren als verkaufen kann und Gewinne erzielt), ergeben sich drei mögliche Fälle: in den beiden Randfällen spezialisieren sich beide Länder auf dasselbe Gut, da der Weltmarktpreis oberhalb (unterhalb) der beiden Autarkiepreise (= Opportunitätskosten) ist. Beide Länder handeln nur mit dem Weltmarkt. Im mittleren Fall haben wir die klassische Handelssituation, bei der die Länder auch miteinander Handel treiben. Im Normalfall heißt das, dass ein Teil der Ex- bzw. Importe aus dem anderen Land und ein Teil aus dem Weltmarkt bedient wird.

3Wie genau der Preis aussieht, der sich einstellt, lässt sich mit Hilfe der Lagrangemethode ermitteln. Aufgrund der Menge an Variablen aus beiden Ländern ist das Ergebnis jedoch nicht wirklich übersichtlich. Daher verzichten wir aus didaktischen Gründen auf die Herleitung an dieser Stelle. In Abschnitt 15.5 werden die erforderlichen Rechnungen vorgestellt.

4Da wir hier lineare Produktionsfunktionen haben, kommt es immer zur vollständigen Spezialisierung. Aus Gründen der Einfachheit verzichten wir auf die Verwendung allgemeinerer Produktionsfunktionen, bei denen auch eine teilweise Spezialisierung erfolgen kann.


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Prof. Dr. Christian Bauer, Lehrstuhl für monetäre Ökonomik, Universität Trier, D-54296 Trier, E-mail: bauer@uni-trier.de