9.3 Leistungsbilanzungleichgewichte seit den 90ern

Mit Beginn der 90er Jahre entwickelten einzelne Länder große und persistente Leistungsbilanzungleichgewichte und diese Tendenz hat sich seit Ende der 90er Jahre noch verschärft. Während einige Länder dauerhaft Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen, verzeichnen andere nahezu permanente Leistungsbilanzdefizite. Diese strukturellen und permanenten Handelsungleichgewichte werden ale eine der Ursachen für die globale Wirtschafts- und Finanzkrise wie auch die europäische Krise angesehen. Zwar weist die EU als Aggregat einen nahezu ausgeglichenen Außenhandel auf, jedoch bestehen innerhalb der Eu starke Ungleichgewichte. Deutschland exportierte in den letzten drei Jahren beispielsweise für jährlich 250 Mrd.  mehr Güter als es importierte. Um diese Ungleichgewichte zu begrenzen hat die EU deshalb die MIP (macroeconomic imbalance procedure) eingeführt, bei der die makroökonomischen Ungleichgewichte beobachtet und bewertet werden und die Staaten gegebenenfalls darauf hinwirken müssen, diese zu verringern. Außerhalb der Eurozone sind vor allem die USA mit bis zu 6% des BIP Leistungsbilanzdefizit und China und Japan mit permanenten hohen Überschüssen aufgefallen.

Leistungsbilanzungleichgewichte sind per se nicht schlecht. Entstehen sie auf freien Märkten, ohne von politischen oder exogenen Schocks induziert zu werden, so sind sie Resultat unterschiedlichen Spar-, Investitions- und Konsumpräferenzen zwischen Ländern. Sie werden allerdings zu einem Problem,

  1. wenn die ursächlichen Marktprozesse durch Politikmaßnahmen massiv verzerrt werden, beispielsweise bei Wechselkursmanipulationen oder einseitiger Exportförderung z. B. durch das Steuer- und Zollsystem, Subventionen oder Handelshemmnisse,
  2. wenn die Defizite dauerhaft sind, so dass die Gefahr einer Überschuldung droht.
  3. wenn Wettbewerbsunterschiede innerhalb einer Währungsunion nicht mehr ausgeglichen werden.

Insbesbesondere hier zeigt sich das Politikversagen innerhalb der EU. Auch nach Beginn der Währungsunion haben viele Länder agiert als hätten sie noch eigenständige Währungen als Ausgleichsinstrument. Während in Deutschland - vor allem aufgrund der Hartzgesetze die Lohnstückkosten um 6% sanken, stiegen sie in Griechenland um beinahe 10%. Somit stieg der relative Wettbewerbsvorteil für Deutschland um 15%, woraus ein Anwachsen des Leistungsbilanzüberschusses für Deutschland und -defizites für Griechenland resultierte. Da eine reale Abwertung innerhalb der Währungsunion nicht erfolgen kann, bleiben nur steigende Löhne in Deutschland oder sinkende in Griechenland um dieses strukturelle Problem zu lösen.


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Prof. Dr. Christian Bauer, Lehrstuhl für monetäre Ökonomik, Universität Trier, D-54296 Trier, E-mail: bauer@uni-trier.de